Kundenbindung und -treue ist der Schlüssel zu einem langfristigen Erfolg. Das ist der Grundtenor, der sich in vielen Magazinen, Zeitschriften, Portalen und Plattformen ablesen lässt. Aus diesem Grund werden monatlich hohe Summen in entsprechende Programme investiert, Online-Shops mit Social Networks verbunden und aufwendige Videoproduktionen erstellt. Doch stimmt diese Prämisse wirklich immer und unter allen Umständen?

Die Antwort ist ein klares Jein. Selbstverständlich sorgt Kundenbindung für einen konstanten Umsatz, verursacht auf der anderen Seite aber auch entsprechende Kosten. Und dieses Verhältnis muss genau im Auge behalten werden – oder anders ausgedrückt – die Customer Lifetime Value muss berücksichtigt werden, denn treue Kunden sind nicht immer auch die umsatzstärksten.

Neue Studien widerlegen allgemeine Grundsätze 

Rufpropaganda, niedrige Kosten und einen stabilen Umsatz – mit diesen drei Faktoren wird die Betreuung von Langzeitkunden häufig begründet. Doch repräsentative Umfragen und deren wissenschaftliche Auswertung legen nahe, dass diese Annahme sich auch schnell als Bumerang entwickeln kann. Sie haben unter anderem herausgefunden, dass

  • Langzeitkunden nicht unbedingt günstiger als die Akquise von Neukunden sind. Sie verursachen unter anderem hohe Kosten für Betreuung, Kommunikation, Verwaltung und laufendes Marketing
  • der Effekt der „Mundpropaganda“ häufig überschätzt wird. Ihre Auswirkungen sind deutlich weniger messbar als gezielte Werbekampagnen und Aktionen
  • Stammkunden nur selten bereit sind, ihre Treue mit höheren Preisen zu bezahlen. Im Gegenteil: Erhöhungen werden von ihnen schnell wahrgenommen und bieten einen Grund zum Wechsel

Eine reine Priorität auf die Kundenbindung ist deshalb mitnichten ein Schlüssel zum Erfolg, sondern eher ein Rezept für einen sicheren Untergang. Sehr häufig stecken Unternehmen viel Geld in die entsprechenden Programme und erreichen einen unzureichenden Nutzen, der weit unter den Investitionen liegt. Die Lösung für dieses Problem heißt: Customer Lifetime Value.

Investitionen müssen sich auszahlen

Statt in die Fläche zu streuen, ist es deshalb sinnvoll, sich auf profitable Kunden zu konzentrieren und dafür unter Umständen riskantes Klientel zu vernachlässigen. Die Kundenbindung ist ein perfektes Instrument für Käufer, die dauerhaft und zu für den Anbieter günstigen Bedingungen bestellen. Doch nicht jeder, der einmal für eine hohe Summe Waren erworben hat, plant, diesen Schritt in Zukunft zu wiederholen. Darüber hinaus muss das Angebot auch den Erwartungen entsprechen – die Frage ist also weniger: „Was kauft mein Kunde heute?“.

Sie ist vielmehr: „Was möchte er morgen kaufen und habe ich dann dieses Produkt in ausreichender Menge auf Lager?“ In der Vergangenheit wurden diese Bedingungen häufig vernachlässigt und die Analyse auf Parameter wie RFM (Recency Frequency Monetary Value) oder SOW (Share of Wallet) reduziert. Beide vernachlässigen für das Marketing wichtige Faktoren. So berücksichtigt der RFM ausschließlich die getätigten Käufe, gibt aber keine Information darüber, ob ein Kunde loyal ist oder wann er einen Einkauf plant. Beim SOW wird zwar die Loyalität berücksichtigt, dafür aber nicht der Gesamtumsatz. Ein großes Unternehmen mit einer niedrigen SOW rangiert demnach selbst bei einem vielfach höheren Volumen hinter einem kleinen mit einem hohen SOW.

Customer Lifetime Value berücksichtigt Vergangenheit und zukünftige Entwicklung

Herkömmliche Modelle taugen also nur begrenzt für die Auswahl der Investitionen in Marketing und Kundenbindung oder der Produktpalette. Bei dem Customer Lifetime Value sieht das anders aus. Wieso? Der Customer Lifetime Value setzt sich aus der Transaktionshistorie und der angenommenen zukünftigen Entwicklung zusammen. Außerdem unterscheidet er den reellen von dem potentiellen Kundenwert und ermöglicht dadurch, Wachstumsmöglichkeiten zu erkennen und gezielt auszubauen.

Grundsätzlich errechnet er sich aus den kundenspezifischen Einnahmen und Kosten und wird durch eine Kundenbindungsrate und dem aktuellen Zinssatz für die Kapitalbeschaffung modifiziert. Die sich daraus ergebende Zahl vereint dadurch alle für den Profit und die Rendite wichtigen Faktoren in einem einzigen Wert, der für strategische Unternehmensentscheidungen herangezogen werden kann. Ziel ist es dabei stets, einen steigenden Customer Lifetime Value zu generieren. Dieser sollte deshalb der wesentliche Kritikpunkt bei unterschiedlichen Maßnahmen sein – von der Auswahl neuer Produkte über die Schaffung von Bonusprogrammen bis hin zu Aktivitäten zur Kundenbindung.

Der CLV in der Praxis

Eine umfangreiche CLV Analyse versetzt ein Unternehmen in die Lage, sämtliche Aktivitäten auf einer soliden Datenbasis zu koordinieren. Beispiele, in denen der CLV eine wichtige Stütze für zukunftstaugliche Entscheidungen ist, umfassen:

  • Eine sichere und zuverlässige Methode zur Klassifizierung von Kunden und Kundengruppen. Die Einteilung in eine bestimmte Kategorie erfolgt über einen einzigen Wert, der alle wichtigen Eigenschaften beinhaltet. Basierend daraus ist es einfach möglich, ein individuelles Konzept für die Betreuung einzelner Kunden und Segmente zu erstellen und diese gleichzeitig auf ein maximales Return of Investment (ROI) zu optimieren.
  • Überprüfung bestehender Strategien im Marketing, der Werbung und der Kommunikation. Um den Erfolg laufender Aktionen oder einer startenden Kampagne zu messen, reicht die Überwachung des CLV aus. Wird dieser positiv beeinflusst, zeigt sich ein Erfolg. Durch einen Vergleich der Kosten und der Wirkung können die Maßnahmen auf ihre Profitabilität kontrolliert und die effektivsten Strategien verfolgt und weiterentwickelt werden.
  • Direkte Analyse neuer Strukturen, Vertriebswege, Produkte oder Preissysteme. Der CLV gibt zeitnah Auskunft darüber, ob eine Theorie in der Praxis erfolgreich ist und ob sich ein Effekt entsprechend der Prognose einstellt. Zusätzlich gibt der CLV Auskunft darüber, ob bestehende Potentiale voll genutzt werden und bei welchen Kunden zusätzliche Möglichkeiten zur Optimierung bestehen.
  • Nicht zuletzt ist der CLV auch für den Gesamtwert eines Unternehmens aussagekräftig. Dazu werden die CLV der Kunden zu einer Gesamtsumme addiert und ergeben insgesamt den Customer Equity.

CLV im Rahmen der Business Intelligence

Innerhalb unterschiedlicher Varianten der Busisness Intelligence dient der CLV als eine der signifikanten Größen, um strategisch wichtige Daten für die Führung eines Unternehmens zur Verfügung zu stellen. Der ganzheitliche Ansatz bei der Berechnung gewährleistet, dass mit einer verlässlichen Kerngröße statt mit einer hohen Zahl von einzelnen Parametern gearbeitet werden kann. Die Methode ist zwar in der Einführung komplizierter als einfache Statistiken und erfordert zunächst eine umfassende Analyse, birgt aber dafür entsprechende Vorteile.

Dazu gehören eine zeitnahe Reaktion, eine einfache Kategorisierung unterschiedlicher Kundengruppen und eine permanente Erfolgskontrolle. Der CLV stellt dadurch nicht allein ein wichtiges Bauteil für die Optimierung bestehender und den Aufbau neuer Strukturen, sondern auch ein Frühwarnsystem bei möglichen Komplikationen. Er schlägt die Brücke zwischen einer engen und einer profitablen Kundenbindung und reagiert umgehend auf Fehlentwicklungen, ohne sich Details zu einzelnen Posten und Klienten zu verlieren. Sein praktischer Wert für Richtungsentscheidungen ist deshalb sehr hoch einzuschätzen.